TurfTimes:
Ausgabe 231 vom Donnerstag, 06.09.2012
„Haben Sie 9.000 Euro dabei?“ – Die erste Frage des Taxifahrers nach Nennung des Fahrtzieles. Das war am Freitag vor dem Großen Preis, aus dem Nachhinein betrachtet die passende Einleitung für das folgende Wochenende. Sinnbildlich irgendwie, denn von Danedream hat mittlerweile auch der Galopprennsport-Laie gehört. Die Geschichte um das Schnäppchen, das zum Millionenpferd wurde, ist aber auch zu gut gewesen. Und nun, ein Jahr nach dem ersten Sieg im Großen Preis von Baden, dem Arc, dem Jahresauftakt, erneut in Iffezheim und dem atemberaubenden Kampferfolg in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes, ist die Rückkehr nach Baden-Baden gleichzeitig ein Abschied. Zumindest ein erster kleiner Abschied ist es, der vom deutschen Publikum. Die sportlich wertvollsten Meriten hat Danedream zweifellos anderswo erworben, gezaubert hat sie im Arc, ihre größte Schlacht hat sie in Ascot geschlagen. Konnte dieser Auftritt überhaupt noch „einen draufsetzen“?
Bis zu dem Zeitpunkt sprach der Verlauf der Großen Woche wirklich nicht dafür. Die ersten Tage waren aus Ab und zu ein Tupfer orange, viel mehr war nicht zu sehen, was auf Danedreams Auftritt hindeutete. Foto Karina Strübbedeutscher Sicht eher enttäuschend, was die Hauptrennen anbetrifft. Kein einziges der Grupperennen war im Land geblieben, dazu kam am Samstag noch die Französin Pagera, ihres Zeichens krasse Außenseiterin, und lief leicht zum Sieg im Baden Racing Stutenpreis. Da war es nicht wirklich verwunderlich, dass keine überschäumende, einem solch hochklassigen Meeting gerecht werdende Stimmung herrschte.
Der Sonntag begann beschaulich, zum ersten Rennen waren wohl viele noch beim Mittagessen. Der Galopperfan, in Erwartung der hoffentlich großen Ereignisse, die da kommen würden, hielt Ausschau nach orangefarbenen Devotionalien. Die vereinzelten orangefarbenen Schals und T-Shirts mögen teilweise absichtlich ausgewählt worden sein, es lässt sich jedoch ebenso gut dem Zufall zuschreiben. Wer Fanplakate à la Frankel oder Zenyatta erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Doch da, orangefarbene Hose, weißes Shirt mit Danedream-Konterfei, das ist doch einmal was. Pustekuchen, das so stimmige Outfit stellte sich als „Berufskleidung“ der Mitarbeiter einer Wettanbieters heraus. Also weitersuchen.
Danedream und Fans im Iffezheimer Führring. Foto Karina StrübbeDas letzte Rennen vor dem Höhepunkt des Tages steht an. Schnell schon einmal Plätze in der ersten Reihe des Führrings sichern, dreijährige Sieglose können auch auf der Leinwand verfolgt werden. Noch eine gute halbe Stunde bis zum Rennen. Jetzt ist die Bahn voll. Der Führring ist bereits im Belagerungszustand. Auf der gegenüberliegenden Seite leuchtet auf einmal doch etwas Orangefarbenes, Handtaschen im Danedream-Dress, dekorativ auf der Hecke positioniert. Na also, geht doch, zumindest ein bisschen. Dann betreten endlich die Hauptprotagonisten den Führring und mindestens genauso plötzlich ist sie Die Spannung steigt, die Jockeys nehmen Aufstellung fürs Gruppenfoto. Foto Karina Strübbeendlich da, die Stimmung. Pastorius, Novellist, Ovambo Queen usw. Nach gezeigten Leistungen ist jeder für sich genaugenommen ein Highlight, doch es haben alle nur auf eine gewartet, Danedream alias „Wunderstute“ oder auch „Mäuschen“. Das Objekt der allgemeinen, gespannten Erwartung dagegen ist ein Muster der Beständigkeit, ruhig, aufmerksam, unaufgeregt. Bis hierhin ist noch alles normal, die Jockeys sitzen auf, es geht zur Bahn, bis auf Danedream, die noch eine Runde dreht. Spontaner Applaus, Beifall, Anfeuerungsrufe an Andrasch Starke – ein erstes Gänsehautgefühl stellt sich ein. Applaus vor dem Rennen, gab es das in jüngerer Vergangenheit auf einer deutschen Rennbahn mal? Es gibt ihn vielleicht doch, den Danedream-Faktor.
Sitzt alles? Danedream dreht mit Andrasch Starke eine letzte Runde, es gibt Szenenapplaus. Foto Karina StrübbeDie Minuten bis zum Rennen kriechen förmlich dahin, in die Zuversicht mischen sich Zweifel. Novellist findet zu alter Form zurück, Pastorius schafft den dritten Sieg in Serie, Ovambo Queen gewinnt ihr erstes Gruppe I-Rennen oder geht das Rennen möglicherweise doch an den brasilianischen Schweden? Endlich der Start, die Spannung ist beinahe mit den Händen zu greifen. Leichte Unruhe folgt, als offenbar wird, dass der Pacemaker keine richtige Pace macht. Als die Pferde in die Nähe der Zielgeraden kommen, gibt es dann kein Halten mehr. „Die Leute standen auf den Rängen und haben geschrien“, berichtet eine Besucherin von den Zuständen auf der Tribüne. „Und das seit dem Schlussbogen, das habe ich noch nie auf einer deutschen Bahn erlebt.“ Unten auf dem Rasen ist es nicht anders. Die Endphase ist spannend, spannender als erwartet, doch schließlich kommt es so, wie es die Dramaturgie verlangt. Danedream überquert als Erste die Ziellinie. Das Badener Publikum feiert, stehende Ovationen für das strahlende Siegerteam nur logisch. Andrasch Starke lässt es sich nicht nicht nehmen, eine besonders große Ehrenrunde hinzulegen. Die Menschenmassen auf der Sattelplatz-Tribüne jubeln entsprechend. Groß ist auch das Gedränge bis hin zum Absattelring, jeder scheint noch einen Blick auf die kleine Stute werfen zu wollen. Immerhin hat sie Geschichte geschrieben. Selbst der vor einer Woche gestürzte Daniele Porcu lässt sich das Spektakel nicht entgehen. „Ich muss doch die Stute angucken“, ist die Antwort auf die leicht verblüffte Frage eines Kollegen. Und auch als die Klingel bereits den endgültigen Einlauf angekündigt und die Hauptprotagonistin längst den Weg zurück in den Stall angetreten hat, scheint so recht niemand dem verlassenen Absattelring den Rücken kehren zu wollen. Der Nachhall des Superstars vielleicht.
Bei der Siegerehrung auf dem Geläuf kommt dann doch etwas Wehmut auf. Da hat man sich gerade an „seine“ Daydream Danedream - zum Glück ist die Stute mehr als das. Foto Karina StrübbeWunderstute gewöhnt und da ist die schöne Zeit auch schon wieder vorbei. Nur noch zwei Starts stehen aller Voraussicht nach auf Danedreams Agenda. Wohl die meisten Anwesenden haben ihren letzten Blick auf Danedream werfen dürfen. Will der Fan sie noch einmal zu Gesicht bekommen, muss er mindestens den weiten Weg nach Paris auf sich nehmen, von Tokio einmal ganz zu schweigen. Vielleicht wird sich der eine oder andere Rennsportfan mehr als sonst aufmachen. Ich für meinen Teil werde das erste Oktoberwochenende kurzentschlossen in Paris verbringen. Doch spätestens danach stellt sich die Frage, was im Jahr eins nach Danedream sein wird. Ist alles so wie vorher oder wird der frische internationale Wind, der Hauch des Superstars, noch ein wenig weiter durch Deutschland wehen? Für Starkult haben die Deutschen eher wenig übrig, vergleicht man den „Minihype“ um Danedream mit denen um Frankel, Black Caviar und Co. Doch etwas davon schwebte am Sonntag über Iffezheim und wer weiß, vielleicht hat man dort auch schon den nächsten Superstar gesehen.